"Das Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Boston investiert eine Milliarde US-Dollar, die Stadt Shanghai 15 Milliarden US-Dollar, die Bundesrepublik drei Milliarden Euro: Allein diese Summen zeigen, wo wir uns in Deutschland in puncto Künstliche Intelligenz, Maschinenlernen und Datenwissenschaft befinden – nicht auf der Überholspur, sondern auf dem Standstreifen. 

Der Digital-Gipfel am 3. und 4. Dezember 2018 in Nürnberg sollte dies ändern. Die dort vorgestellten Projekte und Programme verdeutlichten jedoch einmal mehr, dass in unserer Volkswirtschaft noch nicht angekommen ist, wie allumfassend und zukunftsträchtig die Themen Digitalisierung und Künstliche Intelligenz (KI) sind – und vor allem wie weit unsere Wettbewerber, die USA und China, mittlerweile vorgeprescht sind. Ob ein europäischer Konzern nach Vorbild des Flugzeugherstellers Airbus, wie ihn Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier vorschlug, tatsächlich den notwendigen Schub in die Digitalisierung in Deutschland und Europa bringt, bleibt fraglich. Schon lange geht es nicht mehr nur um die technische Ausstattung. Wer KI und Computing vorantreiben will, muss die Technologie verstehen. Kompetent für Führungsaufgaben ist etwa, wer Programmierung, Design Thinking und digitales Marketing beherrscht. Ebenso wichtig ist es jedoch, kritisches Denken, soziale Kompetenz und Entscheidungsfähigkeit mitzubringen – die sogenannten Soft Skills. 

Während in China inzwischen jedes Schulkind Programmieren lernt, sitzen bei uns auf den Podien noch immer fast ausschließlich die Vertreter der Old Economy, wird um IT und Infrastruktur gerungen, scheitert der Bildungspakt für eine schnelle, bessere Ausstattung der Schulen. Die häufig nachhaltig agierenden Start-ups, die mit Hilfe europäischer Finanzmittel erfolgreich werden, fehlten in Nürnberg fast völlig. Dabei sind sie als Beiboote der Dickschiffe unerlässlich. Viele Unternehmer und auch Politiker haben das verstanden. Jetzt braucht es Konsequenzen: Um künftig ganz vorne mitspielen zu können, sind Mut und mehr Geld gefragt – für Bildung, Aufklärung, die Förderung von Start-ups. Das Geld ist jedenfalls vorhanden. Noch ist Deutschland eine der reichsten Volkswirtschaften der Welt. Digitalisierung und KI werden jedoch nicht abwartend verharren, bis auch der Letzte verstanden hat, wohin die Reise geht."

Ein Kommentar von Professor Philip Meissner, Lehrstuhl für strategisches Management und Entscheidungsfindung, Spezialist für Strategie und Digital Business an der ESCP Berlin

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